Wie sah die römische Freizeit aus?
Wie in allen Gesellschaften vor der Industriellen Revolution wurde der Arbeitsrhythmus vom Wandel der Jahreszeiten und dem Lauf der Sonne bestimmt. Die meisten Menschen arbeiteten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, folglich im Sommer deutlich länger als im Winter. Auch in den Städten wurden die Tätigkeiten nach den natürlichen Lichtverhältnissen ausgerichtet. So konnte wertvoller Brennstoff für die Beleuchtung eingespart werden.
Der Broterwerb erforderte deutlich mehr Zeit als heute. Ein Mindestanspruch auf bezahlten Urlaub war unbekannt. Immerhin gab es über das Jahr verteilt eine ganze Reihe an Feiertagen, in der Regel aus religiösem Anlass. Erst im Jahre 321 nach Christus wurde der Sonntag zum allgemeinen Ruhetag erklärt, weil der damalige Kaiser Konstantin das Christentum förderte.
Feiertage boten die Gelegenheit, verschiedene öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Der Eintritt war kostenlos. Finanziert wurden diese spectacula – heute würden wir sie „Events“ nennen – von reichen Politikern. Sie wollten sich auf diese Weise die Gunst der Wähler sichern.
Im Amphitheater fanden Kämpfe unter Gladiatoren oder gegen wilde Tiere statt. Ebenso populär waren die Wagenrennen im Circus. „Panem et circenses“ − „Brot und Spiele“ − das berühmte Zitat des satirischen Dichters Juvenal (ca. 60 –127 nach Christus) bezieht sich auf diese Rennveranstaltungen.
Darüber hinaus gab es Aufführungen im Theater. Doch um die Stücke zu verstehen, war ein gewisses Maß an Latein- oder gar Griechischkenntnissen nötig. Auf die einheimische Zivilbevölkerung in den Provinzen dürfte dies nur vereinzelt zugetroffen haben, obwohl die Amtssprache Latein war.
In der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln), der damaligen Provinzhauptstadt Niedergermaniens, konnten trotz zahlreicher Ausgrabungen noch keine der genannten Veranstaltungsorte gefunden werden. In der Colonia Ulpia Traiana (Xanten) hingegen ist das Amphitheater archäologisch bezeugt und an Ort und Stelle als Teilrekonstruktion wieder aufgebaut worden.
Zu den Freizeitaktivitäten nach Feierabend zählte der Besuch der Badehäuser. In den Thermen widmeten sich die Menschen nicht nur der Körperpflege. Hier trafen sie sich in entspannter Atmosphäre, tauschten Neuigkeiten aus oder besprachen Geschäfte. Sportplätze lagen in unmittelbarer Nähe oder waren Bestandteil einer größeren Thermenanlage. In der sogenannten Palästra wurden verschiedene Leibesübungen betrieben, wie Leichtathletik, Gymnastik und Ballspiel. Anschließend wurde das Bad aufgesucht.
Für Ballspiele dienten kleine Wurfbälle, genäht aus bunt gefärbten Lederresten und gestopft mit Sand oder Tierhaaren. In Ägypten haben sich entsprechende Originale erhalten. Eine besonders beliebte Freizeitbeschäftigung waren Würfelspiele, oft auch um Geld. Glücksspiel war wegen des Risikos sich zu verschulden eigentlich offiziell verboten. Eine spezielle technische Lösung gegen Spielbetrug waren Würfeltürme. Ein Würfelturm wurde auf dem Gebiet einer römischen Villa bei Vettweiß-Froitzheim gefunden. Er besteht aus Bronzeblech und ist mit Inschriften versehen. Übersetzt lauten sie: „Benutze (ihn) glücklich! Lebe!“ und „Die Picten besiegt, die Feinde vernichtet − spielt ruhig!“.
Eine günstige Alternative zum sechsseitigen Würfel waren Astragale, die Sprunggelenkknochen von Schaf und Ziege. Diese Knochen weisen vier unterschiedlich geformte Seiten auf, denen die Zahlenwerte 1, 3, 4 und 6 zugewiesen waren. Für Wohlhabende gab es auch Nachbildungen in Glas oder Edelmetall. Frauen und Mädchen benutzten diese Knöchelchen für Geschicklichkeitsspiele. Eines davon war pentelitha (griechisch für: „fünf Steine“): Dabei wurden fünf Astragale hochgeworfen und möglichst alle mit dem Handrücken aufgefangen.
Auch Brettspiele waren bereits bekannt. Spielbretter aus Holz sind nur selten erhalten. Häufiger sind Dachziegel und Tonfliesen mit eingeritzten Spielfeldern überliefert. Bei schönem Wetter trafen sich die Menschen draußen auf den öffentlichen Plätzen. Im Mittelmeerraum, wo es Ruinenstädte mit gut erhaltenem Straßenbelag gibt, sind viele einfache kleine Spielfelder zu finden, eingeritzt in Bodenplatten und Treppenstufen. Ihre persönlichen Spielsteine hatten die Menschen entweder dabei, oder sie nahmen , was gerade herumlag: Kiesel, Tonscherben, lose Mosaiksteinchen. Einige Spiele sind uns bis heute geläufig, vor allem „Mühle“. Oft jedoch sind die Spielregeln in Vergessenheit geraten und lassen sich anhand der Spielfelder alleine nicht mehr erschließen. In mehreren Fundplätzen in Nordafrika wurden Ritzzeichnungen entdeckt, die den Grundriss eines Zirkus darstellen und somit Spielfelder für ein kleines Wagenrennen darstellen. Auch sind dazu spezielle Spielsteine belegt. In Köln war dieses Spiel ebenfalls bekannt, wie der Fund eines entsprechenden Spielsteines beweist. Der eingeritzte Name „Amandus“ bezieht sich möglicherweise auf ein berühmtes Pferd. Wie die genauen Spielregeln waren, ob es sich um ein Geschicklichkeits- oder Strategiespiel oder gar eine Mischung aus beidem handelte, lässt sich heute nicht mehr erschließen.
Den meisten Haushalten fehlte das Geld für Spielzeug. Und so gestalteten die Kinder ihre Freizeit mit „kostenlosen“ Gruppenspielen, vor allem mit Bewegungsspielen wie Fangen und Huckepack.
Einfach verfügbar waren zum Beispiel Walnüsse, die ähnlich wie Murmeln verwendet wurden. Der Name eines Spieles lautete „nuces castellatae“ “ (lateinisch für: „Nüsse, aufgehäuft wie eine Festung“): Zunächst wurde eine Reihe kleiner „Festungen“ aus je vier Walnüssen gebaut. Diese galt es anschließend mit gezielten Würfen zu zerstören.
Nach antiker Vorstellung waren Nüssespiele und Kindsein untrennbar miteinander verbunden. Der Abschied von der Kindheit wurde umschrieben mit „Die Nüsse zurücklassen“, einer wehmütigen Redewendung. Römischen Ausbildungsverträgen ist zu entnehmen, dass die meisten Kinder mit etwa 11 Jahren eine Lehre begannen. Die Kindheit endete also ziemlich abrupt.
Bei Ausgrabungen wird hauptsächlich Spielzeug aus Terrakotta, also gebranntem Ton geborgen, da sich Keramik gut im Boden hält. Zudem war Ton damals einer der billigsten Werkstoffe. Teilweise erhaltene Farbreste zeigen, dass manche Spielsachen einst bunt bemalt waren. Auch Holzspielzeuge wie Kreisel und Jo-Jos waren verbreitet, sind aber aufgrund der Erhaltungsbedingungen seltener archäologisch überliefert.
Für Säuglinge gab es Babyrasseln, die mit Kieselsteinchen oder Keramikkügelchen gefüllt waren.
Kleinkinder zogen an einer Schnur Tonpferdchen mit Rädern hinter sich her. Andere Figuren stellen Nutz- und Haustiere dar. Außerdem sind exotische Tiere vertreten, die allenfalls aus dem Amphitheater bekannt waren, z. B. Löwen.
Spielfiguren und Puppen spiegeln die Wertvorstellungen der Erwachsenen und die Träume der Kinder wider.
Kleine figürliche Darstellungen von Gladiatoren zeigen die Popularität dieser Spektakel und den Heldenstatus der Kämpfer. Es gab sogar Figuren mit beweglichen Gliedmaßen. So ließen sich die typischen Bewegungsabläufe beim Kampf realistisch nachstellen.
Spielfiguren von Soldaten wurden bisher nicht gefunden, obwohl am Limes Berufssoldaten ein vertrauter Anblick waren. Insgesamt ist − im Unterschied zum modernen Spielzeug − zu beobachten, dass Berufe nicht thematisiert wurden. Berufstätigkeit hatte allgemein ein geringes Ansehen, weil Arbeit meist körperlich anstrengend war und gleichbedeutend mit Unfreiheit und schlechter Bezahlung.
Dies zeigen ebenso die Puppen für Mädchen: Funde von Babypuppen sind selten. Beliebt waren vor allem Gliederpuppen in Gestalt junger Frauen, vergleichbar mit der heutigen „Barbie“. Dabei war es üblich, sie mit allen Geschlechtsmerkmalen darzustellen. Exemplare aus Ton oder Tierknochen sind relativ einfach gearbeitet, ganz anders die äußerst kunstvoll geschnitzten Luxusausführungen in Elfenbein. Ihre Frisuren entsprechen in allen Einzelheiten der damaligen Mode. Sie tragen sogar winzige Schmuckstücke aus Gold. In Ägypten blieben dank des trockenen Wüstenklimas außerdem Stoffpuppen mit Frisuren aus echten Haaren erhalten. Kuscheltiere scheint es hingegen nicht gegeben zu haben.
Das Puppengeschirr bezieht sich auf die Welt der wohlhabenden Hausherrin, die den Haushalt von Bediensteten erledigen lässt. Entweder handelt es sich um ein Tafelservice oder um eine Waschgarnitur für die Körperpflege zu Hause. Küchengeschirr kommt nicht vor. Ein Puppengeschirr aus einem Kindergrab in Köln umfasst neben mehreren Trinkbechern nur einen Teller. Dennoch ist es für mehrere Personen gedacht, denn nach römischer Sitte war es üblich, gemeinsam von einem großen Teller o. ä. zu essen.
Schließlich sei erwähnt, dass Kinder auch tierische Spielgefährten hatten: Hunde, Katzen, Singvögel. Söhne reicher Eltern spielten Wagenrennen nach. Einige von ihnen hatten sogar einen kleinen Streitwagen, vor den ein Ziegenbock gespannt wurde.