Wie kleideten sich die Menschen in der Römerzeit?
Im Rheinland sind von der damaligen Bekleidung nur noch Stoffreste erhalten, sowie Lederreste von Schuhen. Sie haben sich im Boden dort erhalten, wo Sauerstoffmangel herrscht, so in Hafengebieten und in tiefen Brunnen. Textilien aus Gräbern sind äußerst selten, da die Toten bis Ende des 3. Jahrhunderts nach Christus meistens verbrannt wurden. In Europa wurden intakte Kleidungsstücke aus der Römerzeit bislang lediglich in der Auvergne und in den Mooren Nordeuropas entdeckt.
Zusätzlich zu den Textilfunden liefern zahlreiche Darstellungen auf Kunstwerken und Alltagsgegenständen sowie schriftliche Quellen Einblicke in die römische Bekleidung. Die lateinischen Begriffe für die Kleidungsstücke sind bis heute bekannt, und aus den Schriften erfahren wir auch, welche Bedeutung einzelne Kleidungsstücke hatten und was man unter „gut angezogen“ verstand. Der Dichter Ovid (43 vor Christus − 17 nach Christus) empfahl beispielsweise, bei der Wahl der Kleiderfarbe den eigenen Typ zu berücksichtigen.
Die Bewohner des Rheinlandes, ungeachtet ihrer Herkunft, fertigten Textilien hauptsächlich aus Schafwolle und Leinen. Die Färbung erfolgte mit Pflanzenfarben, vornehmlich mit Krapp (Rot), Resede/Wau (Gelb) und Waid (Blau). Seide, die aus China bezogen wurde, und Goldgarn stellten puren Luxus dar. Auch Baumwolle war zu dieser Zeit kostspielig, da sie aus Indien oder dem Sudan importiert wurde.
Stoffe wurden generell gewebt. Techniken wie Stricken und Häkeln waren damals unbekannt. Die einzige maschenbildende Technik war das Nadelbinden, welches einen hohen Zeitaufwand erforderte.
Da der Trittwebstuhl noch nicht existierte, dauerte die Herstellung eines einzigen Gewandes an den Webstühlen der Römerzeit, je nach Größe und Qualität, zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten. Nicht Meterware wurde produziert, sondern komplette Gewänder in einem Stück mitsamt den Ärmeln. Die Webkanten wurden als Säume genutzt. Beim Nähen wurden die Öffnungen für Arme und Kopf einfach freigelassen. Aufgrund des enormen Zeitaufwandes wurden neue Stoffe nur ungern zerschnitten.
Zugeschnittene Kleidung – wie Hosen, Kniestrümpfe, Socken und kurze Kapuzenmäntel – wurde stets aus abgetragenen Gewändern gefertigt. Dies ist an den Textilfunden gut zu erkennen. Gebrauchte Kleidung war üblich und wurde generell solange geflickt, bis der Stoff völlig zerschlissen war.
Das wichtigste Kleidungsstück der Römer war die Tunika, ein weites rechteckiges Gewand mit Schlitzen für Kopf und Arme. Der einfache Schnitt machte Konfektionsgrößen überflüssig. Mit Hilfe eines Gürtels, zumeist ein Stoffband oder eine Kordel, passte sich das Gewand in Länge und Umfang dem Körper an. Der grundsätzliche Unterschied zwischen Männer- und Frauenkleidung bestand in der Länge des Saumes. Bei Männern reichte er bis zu den Knien oder etwas darüber, bei Frauen bis zu den Füßen. Frauen, die arbeiten mussten, zogen das Gewand bis knapp oberhalb der Fußknöchel hoch. Umstandsmode war unbekannt. Die Tunika des Handwerkers hatte oft einen breiten Halsschlitz. So konnte der Arm hindurch schlüpfen, wenn es zu warm wurde. Oder es wurde bei heißem Wetter nur mit Lendenschurz bekleidet gearbeitet.
Wohlhabende Menschen achteten auch im Alltag auf eine gepflegte Erscheinung. Ebenso wichtig wie die Verwendung hochwertiger Stoffe war die ordentliche Gürtung des Untergewandes. Die kleinteilige Anordnung der Falten brachte den Körper vorteilhaft zur Geltung. Außerdem war sofort zu erkennen, dass die Person von einem Diener oder einer Dienerin angekleidet worden war, was Wohlstand signaliserte. Eine lose Tunika war folglich gleichbedeutend mit Nachlässigkeit, Sklaverei und Armut. So in der Öffentlichkeit herumzulaufen, war Kindern und Sklaven gestattet.
Vor der Witterung schützte zusätzlich ein rechteckiges Manteltuch von ca. 3 Metern Länge, bei Männern als Pallium, bei Frauen als Palla bezeichnet. Es wurde stets derart um den Körper gelegt, dass die rechte Schulter frei blieb. Die abgewinkelte Haltung des linken Armes verhinderte, dass der Stoff verrutschte. So elegant drapiert trugen im Alltag nur wenige Menschen ihr Obergewand. Schließlich war zum Arbeiten der Einsatz beider Hände notwendig. Die meisten warfen den Mantel einfach um. Frauen wickelten ihn unterhalb der Brust um den Körper. Soldaten steckten ihren Rechteckmantel, das Sagum, mit einer Fibel über der Schulter fest.
Die leichten Stoffe und der weite Schnitt der römischen Kleidung entsprachen dem Klima des Mittelmeerraumes. Im Nordwesten des Imperiums wurde sie deshalb dem rauen Wetter angepasst und mit Gewändern der ansässigen Bevölkerung kombiniert. So entstand im Laufe der Zeit eine Tracht, die von der Forschung als „provinzialrömisch“ oder, genauer, „gallo-römisch“ bezeichnet wird: Die Wollstoffe waren dicker und die Tunika wurde mit Ärmeln versehen. Während es mit der Gürtung in Rom ziemlich streng genommen wurde, ließen die Träger der gallo-römischen Tunika den Gürtel häufig weg.
Bei Kälte und Nässe boten Fellumhänge und Kapuzenmäntel besseren Schutz als das römische Pallium. Landarbeiter, Handwerker und Jäger trugen den kurzen kegelförmigen Cucullus. Wer sich mehr leisten konnte, z. B. Reisende und Soldaten, trug die einem Poncho ähnelnde Paenula oder den Caracallus.
Die Unterschenkel schützten die Römer mit Wickelgamaschen oder Wadenbinden. Hosen lehnten die Römer ursprünglich ab, da sie als barbarisch, also unrömisch, galten. Dennoch hielten knie- bis wadenlange Hosen Einzug in die Arbeits- und Militärkleidung.
Als Schal diente ein zum Wulst gedrehtes Stück Stoff. Ob es Winterhandschuhe gab, bleibt unklar.
Der Großgrundbesitzer Columella war mit Blick auf die Sklaven, die auf seinen Landgütern arbeiteten, überzeugt: Es gäbe kein schlechtes Wetter, sondern nur falsche Kleidung.
Die Mehrheit der Bevölkerung ging harter körperlicher Arbeit nach. Im Alltag dürfte eine Unterscheidung zwischen Sklaven und Arbeitskräften mit Bürgerrecht anhand der Kleidung schwierig gewesen sein. Die römische Gesellschaft war jedoch elitär. Ob Familienfeier, Feiertag, Besuch des Patrons oder Gerichtstermin, bei offiziellen Anlässen galt es, standesgemäß gekleidet zu sein.
Die Toga bestand aus feiner weißer Wolle und wurde mit einer Tunika aus dem gleichen Material kombiniert. In der Kaiserzeit hatte die Toga eine ovale Form. Sie war etwa dreimal so lang, wie die Person groß war, bezogen auf einen Erwachsenen in der damaligen Zeit also etwa 5 Meter. Das Anlegen dieses Gewandes erforderte Hilfe und dauerte bis zu einer Stunde. Der rechte Arm blieb unbedeckt. Der linke Arm ruhte abgewinkelt vor dem Körper. Stofffülle und Faltenwurf zwangen zu einer aufrechten Körperhaltung und ließen nur langsame Schritte zu. Die Toga wurde ohne Fibel getragen. So unbequem dieses Gewand war, die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und die empfindliche Farbe waren beabsichtigt. Dies drückte den Unterschied zum Sklaven aus, der gehorsam und flink seiner Arbeit nachkommen sollte und kein Mitspracherecht in der Gesellschaft hatte. Ein römischer Bürger hatte folglich nicht nur das Recht, die Toga zu tragen, sondern gelegentlich sogar die Pflicht. Kaiser Augustus bestand darauf, dass ein Bürger das Forum grundsätzlich in der Toga betreten müsse, selbst ohne besonderen Anlass. Außerhalb von Rom sah die Bevölkerung dies weniger streng. Entgegen des Idealbildes war die Mehrheit der Bürger nicht vermögend und konnte sich dieses Gewand kaum leisten.
Kinder römischer Bürger waren ebenfalls an der Toga zu erkennen. Die Kindertoga war weiß und hatte einen Purpursaum.
Das weibliche Gegenstück zur Toga war die Stola. Sie stand nur verheirateten Frauen mit römischem Bürgerrecht zu. Es handelt sich um ein schlauchförmiges Kleid mit Trägern. Es wurde über der Tunika und unter dem Mantel getragen. Stola und Palla waren aus feiner roter Wolle gewoben und mit einem purpurfarbenem Saum geschmückt. Die Stola war in der Kaiserzeit jedoch nicht populär. Frauen der Oberschicht bevorzugten eine Mode nach griechischem Geschmack. Hier konnte die Trägerin zwischen Stoffen und Farben wählen. Gesetze, die ihnen die Stola vorschrieben, blieben ohne Erfolg. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts verschwand sie. Im Rheinland dürften nicht oft Frauen in der Stola gesehen worden sein.
Zu Toga und Stola wurden keine Sandalen getragen. Angemessen waren Calcei, knöchelhohe geschlossene Schuhe.
Aufgrund des hohen Herstellungsaufwandes war die Mode weniger flüchtig als in der modernen Zeit. Veränderungen in den Modetrends äußerten sich hauptsächlich in unterschiedlichen Drapierungen der Gewänder oder neuen Frisuren.
Ab dem 1. Jahrhundert nahm die Breite der Tunika stetig zu. Um 160 nach Christus lagen die Ärmellöcher etwa auf Höhe der Handgelenke. In der Alltagskleidung war dieser Trend kaum zu bemerken. Im Gegensatz dazu blieb die Tunika der Soldaten verhältnismäßig schmal, um unter der Rüstung keine Falten zu werfen.
Neben der ärmellosen Tunika tauchte schon im frühen 2. Jahrhundert eine Version mit kurzen Ärmeln auf. Ab dem 3. Jahrhundert gewann langärmelige Kleidung an Beliebtheit, sowohl mit weiten als auch mit schmalen Ärmeln. Dies war weniger eine Frage des Wetters als vielmehr die einer veränderten Einstellung zum Körper. Vor allem unter dem Einfluss des Christentums zeigten die Menschen, auch die Männer, weniger Haut.
Über den damaligen Farbgeschmack geben Mosaike, Wandmalereien und die sogenannten Mumienporträts aus Ägypten Auskunft: Bei Frauen waren Rottöne, von Zartrosa über Pink und Flieder bis hin zu Weinrot und Aubergine, sehr beliebt. Weiß, Gelb, Blau, Grün und Hellgrau waren weniger verbreitet. Auch Männer bevorzugten kräftige Farben. Nur in Verbindung mit der Toga musste die Tunika eines Mannes weiß sein.
Die meisten Stoffe waren einfarbig. Oft waren Kontraststreifen und/oder eingewobene Bildfelder zu sehen. An den Tuniken waren die sogenannten Clavi typisch, Streifen, die vorne und hinten senkrecht über die Schultern verliefen. Einzig purpurrote Schulterstreifen auf einer weißen Männertunika dienten als Standesabzeichen und waren Angehörigen des Ritter- oder Senatorenstandes vorbehalten. Ansonsten waren Farbe und Muster eine Frage des persönlichen Geschmacks. Mit der Zeit neigte die Mode dazu, die Gewänder an immer mehr Stellen mit großflächigen eingewobenen Motiven zu verschönern.
Den Schriftquellen zufolge war es nicht üblich, regelmäßig Unterhosen zu tragen. Wer es sich leisten konnte, trug unter der Tunika eine Untertunika aus Leinen, die camisia. Davon leitet sich das französische Wort für Hemd: „chemise“ ab.
Während Darstellungen von Männern im Lendenschurz existieren, fehlen solche von Frauen. Dennoch lässt sich annehmen, dass sie während der Menstruation einen verwendeten. Ein mindestens 3 Meter langes Band diente als Büstenhalter. Das Busenband war nicht nur praktisch. Es galt zugleich als erotisches Dessous. Auch die Liebesgöttin Venus wurde gelegentlich mit einem solchen Band dargestellt.
Anders verhält es sich mit den knapp geschnittenen Höschen aus Ziegenleder, die in Trier und London zutage kamen. Mit Erotik haben sie nichts zu tun. Vielmehr wurden sie, kombiniert mit einem Brustband, als Sportwäsche bei Leichtathletik und Gymnastik getragen. Berühmt sind in diesem Zusammenhang die sogenannten „Bikinimädchen“ auf einem Mosaik in der Villa Romana del Casale in Piazza Armerina auf Sizilien. Spezielle Badekleidung gab es übrigens nicht. Es wurde nackt geschwommen.
Grab- und Weihsteine erzeugen den Eindruck, als hätten sich im Rheinland fast alle römisch gekleidet. Tatsächlich war das Bild erheblich bunter. Auch wenn die Römer den Ton angaben, zwangen sie niemanden dazu, deren Kleidungsstil zu übernehmen: Und so entdecken die Archäologen und Archäologinnen auch Trachtbestandteile aus Metall oder Tierknochen, die auf den Denkmälern nicht dargestellt wurden. Nicht jede Person hat sich in Stein verewigen lassen. Entweder fehlte dazu das Geld oder es bestand kein Interesse daran.
Unter den nichtrömischen Trachten lässt sich die Frauentracht der Ubier am besten rekonstruieren. Dieser Germanenstamm war bereits zu Lebzeiten Caesars mit den Römern verbündet und kulturell aufgeschlossen. Wie die Römer nutzten die Ubier die Bildniskunst zur Selbstdarstellung. Gleichzeitig hielten die Ubierinnen an ihrer ursprünglichen Tracht fest: Sie trugen ein oder zwei lange, hemdartige Kleider übereinander. Dazu kam ein knöchellanger halbkreisförmiger Mantel, der vorne auf der Brust mit einer Fibel geschlossen wurde. Ob es verbindliche Farben oder Stoffmuster gab, ist unbekannt. Junge Mädchen trugen das Haar offen. Der kreisförmige, voluminöse Kopfputz diente als Erkennungszeichen für verheiratete Frauen. Unklar ist, woraus dieser bestand. Eine Vermutung ist, dass das eigene und/oder falsche Haar über ein Haarkissen gekämmt wurde. Die Frisur wurde durch ein Haarnetz oder eine Haube geschützt. Eine Schmucknadel rechts nahe der Wange sorgte zusätzlich für Halt.
Die ubischen Männer hingegen wurden nicht in ihrer traditionellen Gewandung dargestellt, sondern in der Toga. Die Gesellschaft sollte sie als römische Bürger wahrnehmen, ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft. Ihre ursprüngliche Kleidung sah vermutlich ähnlich aus wie die eines einheimischen Kriegers auf einem Grabrelief in Arlon.