Welche Rolle spielte der Götterglaube im Römischen Reich?
Bei der Eroberung des Rheinlandes brachten die Römer ihren Glauben mit. In dieser Zeit waren ihre religiösen Vorstellungen bereits stark von den Griechen beeinflusst. Von ihnen hatten die Römer unter anderem die Bildniskunst übernommen. Deswegen sehen römische Götterdarstellungen den griechischen oft zum Verwechseln ähnlich.
Die Römer stellten sich den Kosmos voller Götter vor. Jede Familie und jeder Haushalt hatte ihre eigenen Schutzgötter, die Laren und Penaten. Sogar der pater familias, das Familienoberhaupt, hatte einen persönlichen Schutzgott, den Genius. Zur Wohnungseinrichtung gehörte stets ein kleiner Hausaltar.
Jede Gottheit war für einen bestimmten Bereich zuständig, und zwar im Positiven wie im Negativen. An Merkur, den Gott der Wege und des Handels wandten sich Kaufleute und Händler ebenso wie Diebe und Wegelagerer. Im Unterschied zum Gottesbild in Judentum, Christentum und Islam waren die Götter der Römer moralisch nicht perfekt. Wie die Menschen hatten sie Stärken und Schwächen. Was sie aber von den Menschen unterschied, waren Unsterblichkeit und übernatürliche Kräfte.
Die Tempel galten als die Wohnungen der Götter. Zutritt hatte nur das Kultpersonal. An Feiertagen standen die Türen offen und die Gläubigen konnten das kostbar geschmückte monumentale Kultbild erblicken. Die Opferhandlungen fanden im Freien statt.
Die Priesterschaft hatte die Aufgabe, den Kontakt zu den Gottheiten herzustellen und deren Willen zu erkunden. Dies drückt sich in dem Titel pontifex maximus (lateinisch für: „der oberste Brückenbauer“) aus, den der Kaiser als oberster Priester trug. Ob Priester oder Priesterinnen zuständig waren, hing vom Wesen der Gottheit ab. Um die Rituale korrekt durchzuführen, mussten sie sich mit den zahlreichen religiösen Vorschriften genauestens auskennen. Glaubensbücher gab es dagegen nicht. Göttergeschichten durfte jeder erzählen. Im Laufe der Zeit entstanden so verschiedene Versionen. Einige widersprechen sich sogar. Dies störte nicht. Die Priester und Priesterinnen hatten weder theologische noch seelsorgerische Funktionen.
Welchen Göttern sich eine Person besonders zuwandte, hing von der individuellen Lebenssituation ab.
Durch ein Brandopfer und das Versprechen weiterer Weihungen können die Götter zur Hilfe bewogen werden, so die Überzeugung. Nach dem Prinzip „do ut des“ (lateinisch für: „ich gebe, damit du gibst“) wurde ein Vertrag zwischen der Gottheit und der gläubigen Person geschlossen, den beide Seiten zu erfüllen hatten.
Den Göttern wurden Nahrungsmittel und wohlriechende Substanzen dargebracht. Das teuerste Räuchermittel war Weihrauch, der aus Arabien importiert wurde. Tieropfer fanden aus besonderen Anlässen statt.
Heute ist den steinernen Weihaltären kaum mehr anzusehen, welch kostbare Geschenke sie waren. Die farbenprächtige Bemalung ist vergangen und die Oberfläche beschädigt. Die Inschriften nennen die Gottheit(en) und den Stifter oder die Stifterin. Am Ende der Inschrift steht häufig die Formel VSLM (votum solvit libens merito), die besagt, dass die weihende Person das Gelübde gerne und freudig eingelöst habe. Der konkrete Anlass der Weihung wird nur selten verraten. Diese Steindenkmäler wurden gut sichtbar im Freien aufgestellt, beispielsweise auf dem Tempelgelände. So konnte jeder erkennen, wie fromm und wohlhabend der Stifter oder die Stifterin war.
Gegenüber anderen Religionen zeigten sich die Römer aufgeschlossen. Fremde Götter wurden entweder den eigenen gleichgesetzt oder als neue Gottheiten willkommen geheißen. Die Toleranz endete jedoch dort, wo man die öffentliche Ordnung oder die Autorität des Kaisers bedroht sah. Männer und Frauen, die einer monotheistischen Religion anhingen, gerieten in einen Glaubenskonflikt, wenn sie zum Kaiserkult verpflichtet werden sollten. So kam es aufgrund ihrer Weigerung, den Herrscher wie einen Gott zu verehren, immer wieder zu Verfolgungen von Juden und Christen. In Köln hat es nachweislich schon in der Antike eine jüdische Gemeinde gegeben. Inwieweit sie zu jener Zeit Repressalien ausgesetzt war, ist nicht überliefert.
Die wichtigsten Götter der Römer waren Jupiter, Juno und Minerva. In Rom hatten diese drei Gottheiten einen Tempel auf dem Kapitol, dem zentralen Hügel der Stadt. Deshalb werden sie als „kapitolinische Trias“ bezeichnet. Nach dem Vorbild in Rom muss es in vielen Städten einen Tempel gegeben haben, der dieser Göttergruppe geweiht war. In Köln blieben Fundamentreste des Kapitolstempels unter der Kirche St. Maria im Capitol erhalten. Auch in der Colonia Ulpia Traiana / Xanten konnte im Zentrum ein Kapitolstempel archäologisch nachgewiesen werden.
Eine regionale Form der Götterverehrung waren in Niedergermanien die sogenannten Jupitersäulen. In Rom und im italischen Mutterland kommen diese Kultdenkmäler nicht vor. Der Schaft einer Jupitersäule ist mit Reliefs von Göttern geschmückt. Auf der Spitze war stets eine Figur des Herrschergottes Jupiter angebracht.
Auf einem Jupiterpfeiler aus Köln sind neun Gottheiten zu sehen:
(Abbildung rechte Seite, von oben nach unten:)
1. Juno, die Schutzgöttin von Ehe und Hausstand, mit Schleier und Schale
2. Viktoria, die Siegesgöttin, mit Flügeln und Palmzweig
3. Mars, der Kriegsgott, mit Helm, Lanze und Schild,
(Abbildung linke Seite, von oben nach unten:)
4. Minerva, die Göttin der Weisheit, der Handwerkskunst und Verteidigerin der Stadt, in langem Gewand mit Helm, Lanze und Schild,
5. Sol, der Lichtgott, mit Strahlenkrone,
6. Fortuna, die Glücksgöttin, mit Füllhorn und Steuerruder,
(rückwärtige Seite)
7. Ceres, die Erntegöttin, mit einer Ähre,
8. Vulkan, der Gott des Feuers und der Schmiedekunst, mit Kappe und in Handwerkertunika sowie
9. Venus, die Göttin der Schönheit und Liebe, mit einem Spiegel.
Die zugehörige Statuette des Jupiter ist nicht mehr vorhanden.
Ebenfalls häufig verehrt wurde Götterbote Merkur. Wegen seines Mutes und seiner Körperkraft war außerdem der Halbgott Herkules sehr populär. Zur Sicherung der kaiserlichen Macht wurde der Kaiserkult eingeführt. Er diente der gemeinsamen Verehrung des Kaisers mit der Stadtgöttin Roma. Für Köln wird in den Schriftquellen ein entsprechender Altar erwähnt. Auch der römische Name der Stadt bezieht sich auf diese Opferstätte: Colonia Claudia Ara Agrippinensium − Kolonie des Claudius am Altar der Agrippinenser. Erhalten ist dieses Monument nicht mehr.
Die einheimische Bevölkerung durfte weiterhin ihre religiösen Traditionen pflegen. Speziell die ubischen Matronen erfreuten sich großer Beliebtheit. Diese weiblichen Gottheiten wurden für Fruchtbarkeit und das Wohlergehen der Familie verehrt. Auf Weihdenkmälern erscheinen sie zu dritt in thronender Haltung mit Obstkörben auf dem Schoß. Das junge Mädchen in der Mitte hat das Haar offen, die beiden älteren Frauen tragen die charakteristische Haube aus der Tracht der Ubierinnen. Wahrscheinlich wurden die Matronen schon lange vor der Römerzeit verehrt. Die Idee, ihnen ein Gesicht zu geben und sie in Stein, Metall oder Ton darzustellen, entstand jedoch erst durch den Kontakt mit der römischen Kultur.
Bildliche Darstellungen sind auch von Nehalennia erhalten, der Schützerin aller Seefahrer, welche die gefährliche Überfahrt über den Ärmelkanal nach Britannien wagten. Gezeigt wird diese Göttin häufig mit einem Schiffsbug oder auch in Begleitung eines Hundes.
Durch die Verlegung römischer Militärtruppen und den Fernhandel verbreiteten sich auch Religionen, die im Ursprung nicht römisch waren. Dazu gehörten die sogenannten Mysterienkulte. Ihre Mitglieder feierten in kleinen Gruppen. Wer in eine solche Gruppe eingeweiht war, durfte Außenstehenden nichts über die geheimen Rituale verraten. Die Mitgliedschaft jedoch musste nicht verschwiegen werden. Exotische Kleidung, fremde Klänge, geheimnisvolle Kultgegenstände und Gebete in einer fremden Sprache bewegten die Gläubigen und stärkten das Gemeinschaftsgefühl. Die spirituellen Erlebnisse trösteten über die Sorgen und Nöte des Alltags hinweg. Einige Mysterienkulte zeichneten sich nicht zuletzt durch eine positive Vorstellung vom Jenseits aus. Dorthin konnte gelangen, wer sich zu Lebzeiten moralisch gut verhielt. Diese Idee, die uns aus der christlichen Tradition wohl vertraut ist, war der griechischen und römischen Religion fremd.
Aus Kleinasien stammte die Göttin Kybele, von den Römern Magna Mater („Große Mutter“) genannt. Sie galt als Herrscherin über die Natur und hielt den Kreislauf des Lebens in Gang. Ihre Anhänger glaubten, sie durch Blutopfer besänftigen zu müssen. In Neuss-Gnadental ist ein kleiner Kellerraum mit zwei Treppenzugängen erhalten geblieben, der wahrscheinlich als Taufgrube im Rahmen des Kybele-Kultes genutzt wurde.
Schon in der Römerzeit waren viele von der Religion der alten Ägypter fasziniert. Die komplexen Glaubensvorstellungen wirklich verstehen konnte allerdings nur, wer die Hieroglyphenschrift beherrschte. Dies traf auf die wenigsten Menschen zu. So wurde der Einfachheit halber von den vielen ägyptischen Gottheiten hauptsächlich Isis verehrt. Dem Mythos zufolge hatte diese Göttin die Mumie ihres Mannes Osiris zu neuem Leben erweckt. Er wurde zum Herrscher des Totenreiches, das man sich als Paradies vorstellte. Deswegen wurde Isis als eine allmächtige Schutzgöttin betrachtet, die Menschen aus lebensgefährlichen Situationen rettete. Mit Osiris aber gab es ein Problem: Totengötter bildeten Griechen und Römer in der Kunst nicht gerne ab. An seiner Stelle wurde als Partner der Isis der ägyptisch-griechische Fruchtbarkeitsgott Sarapis verehrt. Der abgebrochene Griff einer Öllampe aus dem Römisch-Germanischen Museum Köln zeigt eine idealtypische Darstellung des Götterpaares: Sarapis hat lange Haare, einen Vollbart, und trägt eine kelchartige Krone, und Isis ist in ein geknotetes Gewand gekleidet und trägt eine Krone aus Kuhhörnern mit Sonnenscheibe und Straußenfedern.
Die Anhängerschaft des Isiskultes hoffte auf ein ewiges Leben in einem paradiesischen Jenseits. Der Weg dorthin war, möglichst alles zu unterlassen, was den Mitmenschen schaden konnte. Jede schlechte Tat belastete das Herz bzw. das Gewissen. In einem Totengericht wurde es gewogen und mit der Wahrheit verglichen. Die Wahrheit war dabei so leicht vor wie eine Feder...
Ebenfalls aus dem Osten, aus dem Iran, kam der Kult des Lichtgottes Mithras. Als Helfer des Sonnengottes sorgte er dafür, dass das Gute (Licht, Treue, Wahrheit, Ordnung) sich immer wieder gegenüber dem Schlechten (Finsternis, Verrat, Lüge, Chaos) durchsetzte. Die Tötung des Stieres durch Mithras ist ein Symbol für den Sieg der positiven Werte über die negativen und ist darum Hauptmotiv von Mithras-Darstellungen, wie bei einem Weihrelief aus Dormagen. Es wurde von einem Soldaten gestiftet und befand sich in einem Mithras-Heiligtum. Das Relief zeigt den Lichtgott in orientalischer Kleidung mit Zipfelmütze beim Töten des Stieres. Für seine Anhänger war der Sieg Mithras' ein Ansporn, sich anzustrengen, um in der straff organisierten Kultgemeinschaft aufzusteigen. Von der Idee, für eine gute Sache zu kämpfen, fühlten sich besonders Soldaten angezogen. Ein wichtiges Datum im Festkalender war der 25. Dezember. An diesem Tag wurde die Geburt des Lichtgottes gefeiert. Das Datum übernahmen später die Christen für die Feier zur Geburt Jesu.
Frauen waren zum Mithraskult nicht zugelassen. Sie wandten sich dem Isiskult zu oder einer Offenbarungsreligion, die ebenfalls regen Zulauf erhielt: dem Christentum.
Den Römern war die Vorstellung von der Auferstehung unbekannt. Ihrer Ansicht nach würde der Kosmos ewig bestehen mit den Göttern, den sterblichen Lebewesen und den Toten. Es gab keine einheitliche Ansicht darüber, inwieweit die Seele, losgelöst vom Körper, noch zu Gedanken und Empfindungen fähig sei. Beeinflusst von den Griechen gab es auch die Idee einer Unterwelt. Sie war weder Ort der Bestrafung noch der Belohnung, sondern schlicht der Aufenthaltsort der Toten. Umso wichtiger waren das Dasein auf der Erde und die positive Erinnerung an den Verstorbenen. Die verschiedenen einheimischen Bevölkerungsgruppen am Limes stellten sich das Leben nach dem Tode größtenteils anders vor als die Römer. Dies zeigt sich in abweichenden Grabsitten. Welche Gedanken konkret dahinter stecken, bleibt mangels einschlägiger Schriftquellen bisher verborgen.
Charakteristisch für die römische Bestattungskultur sind Beisetzungen außerhalb der Stadtmauern (extra muros) und entlang der Fernstraßen. Wer Geld hatte, sicherte sich frühzeitig einen repräsentativen Bestattungsplatz direkt am Straßenrand. Reiche Persönlichkeiten ließen sich in der frühen Kaiserzeit ein prächtiges Grabmal errichten. So sollte die Aufmerksamkeit der Reisenden erregt werden, damit sie stehen blieben, um die Grabinschrift zu lesen: Diese hielt den Namen des Verstorbenen und seinen gesellschaftlichen Rang fest. Stets wird erwähnt, wer sich um die Beerdigung gekümmert hat. Manchmal ist das Sterbealter angegeben, Geburts- und Sterbedatum hingegen nicht. Auch Sklaven konnte ein Grabstein gesetzt werden, wenn ihren Besitzern daran lag.
Ein eindrucksvolles Beispiel eines „Hauses für die Ewigkeit“ ist die Ruhestätte einer namentlich zwar unbekannten, aber offenbar sehr reichen Familie an der Aachener Straße in Köln-Weiden. Die unterirdische Grabkammer ist wie ein Triklinium, ein römisches Speisezimmer eingerichtet und enthält steinerne Nachbildungen der Möbel.
Bei Ausgrabungen finden Archäologen und Archäologinnen heute römerzeitliche Gräber und Grabsteine meistens getrennt voneinander. Die Friedhöfe sind längst abgeräumt. Die Grabsteine wurden häufig zweckentfremdet an anderer Stelle verbaut. Die Identität der Toten lässt sich nicht mehr klären. Dokumentieren lässt sich hingegen, wie die Menschen damals mit den sterblichen Überresten umgingen, welche Beigaben den Toten mitgegeben und wie diese im Grab angeordnet wurden. Was trotz akribischer Forschungsarbeit oft genug verborgen bleibt, sind die konkreten Ideen hinter den Grabbräuchen.
Im 1. Jahrhundert war die Brandbestattung üblich, sowohl bei den Römern als auch bei den meisten einheimischen Bevölkerungsgruppen am Limes. Ab dem 2. Jahrhundert gingen die Menschen im Imperium Romanum allmählich zur Körperbestattung über. Womit dies zu tun hatte, konnte von der Forschung bisher nicht zweifelsfrei beantwortet werden. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass dieser Wandel nicht mit der Ausbreitung des Christentums zusammenhängt. In der Spätantike schließlich setzte sich die Körperbestattung flächendeckend und auch in den Grenzprovinzen durch.
Nicht alles, was den Toten mitgegeben wurde, ist heute noch erhalten oder archäologisch nachweisbar. Organische Materialien, zum Beispiel Speisen und Getränke, Objekte aus Stoff, Leder, Holz oder Korbwaren sind in der Regel spurlos vergangen. Außerdem gab es unterschiedliche Beigabensitten. In der frühen Kaiserzeit legten die Römer größten Wert auf ein monumentales Grabmal. Es stellte ein wichtiges Statussymbol dar. Die Grabbeigaben hingegen waren auf wenige, häufig schlichte Objekte beschränkt, meist nur kleine Öllampen, Duftfläschchen und ein bis zwei Münzen. Sie symbolisierten im Rahmen der Beerdigung den Übergang vom Diesseits ins Jenseits und sind in diesem Fall kein Zeichen von Armut.
Dies ist bei der ansässigen Bevölkerung, die überwiegend aus Kelten und Germanen bestand, anders. Ihnen waren zahlreiche Grabbeigaben wichtig, weil sie dadurch ihre Individualität und ihre Stellung in der Gesellschaft ausdrückten. Dass sich in diesen reich ausgestatteten Gräbern häufig Gegenstände der Römer finden, lässt sich gut erklären: Ob Speisen, Geschirr, Essbesteck, Utensilien zur Körperpflege oder Schreibgeräte: Römische Produkte waren begehrte Prestigeobjekte.
Selbst als sich die Bevölkerung verstärkt dem Christentum zuwandte, erhielten die Toten zunächst weiterhin Beigaben. Nur waren es keine Gegenstände mit heidnischen Motiven mehr, sondern mit christlichen. Nach und nach wurde die Beigabensitte aufgegeben. Im Laufe des frühen Mittelalters, das heißt um etwa 750 nach Christus, erlosch sie endgültig.